
Tattendorf, eine kleine Ortschaft mit knapp 2000 Einwohnern, ist Klimaschutzgemeinde. Der in diese Richtung aktive Bürgermeister ermöglichte durch einen Direktauftrag die intensive Zusammenarbeit mit den Nutzern in der Projektentwicklungsphase. Das schmale Grundstück liegt zwischen der Eisenbahn und einer Ausfahrtsstraße.
Die beiden Nutzer (Feuerwehr und Bauhof) wollten prinzipiell selbständige Gebäude, die Gemeinde wollte aber durch den gemeinsamen Bau Synergieeffekte und Kostenvorteile erzielen. So wurden zwei Gebäude Rücken an Rücken zusammengestellt und erhalten so ihre eigenständigen Fassaden nach Außen, können aber im Inneren Einrichtungen (Sanitärräume, Heizung, Schulungsraum, etc.) gemeinsam nutzen. Die leichte Linkskurve in der Zufahrt zum Feuerwehr-Gebäudeteil wurde – unterstützt durch eine leichte Schrägstellung zur Straße – genutzt, um die Fassade in Richtung Zufahrt zu öffnen (zur Schau-Stellung der Fahrzeuge). Man fährt also vom Ort kommend direkt auf diese Feuerwehr-Fassade zu und fährt erst dann parallel zum Gebäude weiter. Parallel zur Straße mündet man auch fußläufig in das Feuerwehrgebäude ein: man stößt auf die Einsatzzentrale und wird über eine 90°-Drehung ins Gebäude geführt.
Hier tritt man zunächst in eine kleine innere Halle (die ein wichtiger Treffpunkt für das soziale Leben des Ortes ist), von der aus die Garderoben und alle anderen Räume erschlossen werden. Der Baukörper selbst ist in seiner Höhenbildung durch seine Funktionen bestimmt: die Gebäude für die LKW und die entsprechenden Wascheinrichtungen und Werkstätten sowie der Schulungsraum sind höher, die sonstigen Räume niedriger. Die Pultdächer der hohen Gebäude geben der Feuerwehr und dem Bauhof jeweils ihre eigene Richtung (zum jeweiligen Vorhof und Zugang).
Da der Bauhof und sein Müllsammelplatz einerseits nicht direkt einsehbar, andererseits aber doch für die Bevölkerung präsent sein sollte, wurde eine (mit der Belichtung wechselhafte) Semitransparenz durch eine offene Lattung hergestellt. Der Wunsch von Seiten des Auftraggebers, ökologisch zu bauen, sollte zunächst in der Verwendung von Warmwasserkollektoren verwirklicht werden. Gespräche ergaben aber, dass die Feuerwehrleute nach dem Einsatz immer zu Hause duschen. Im Vergleich zu Wohnbauten bleibt das Temperaturniveau im Normalfall niedriger und nur nach der Rückkehr vom Einsatz muss das Gebäude warm sein. Daher ist die Belüftung von Bedeutung und nicht das Warmwasser. So erhielt das Gebäude Luftkollektoren einfachster Bauweise: über eine Lochblechfassade im Süden (wo die Bahn keine Holzverkleidung erlaubt) wird die Frischluft im Winter bei Sonnenschein angesaugt. Durch die einseitige Richtung des Luftzuges gelangt der Großteil der Wärme des schwarzen Blechs (Absorber ohne Glas als selektive Schicht) ins Gebäude, entweder direkt oder über das zentrale Lüftungswärmerückgewinnungsgerät. Scheint keine Sonne, so wird Frischluft über einen Erde-Luft-Kollektor (Vorwärmung bzw. Frostschutz und Vorkühlung) angesaugt. Der Restwärmebedarf wird über einen Gasbrennwertkessel (Gebläse in die Halle, Warmluft und Radiatoren) gedeckt.
Um die Umweltbelastung durch den Bau gering zu halten, wurde der gesamte Bau aus Brettsperrholz errichtet. Die Fassade ist – um den kompakten Baukörper leicht erscheinen zu lassen – mit einer offenen Schalung (Lärche) verkleidet. Sämtliche Wände sind mit Lehm verputzt. Der Vorschlag, die Feuerwehr aus Holz auszuführen, wurde zunächst von den Feuerwehrleuten nicht ernst genommen. Vom Bürgermeister wurde aber argumentiert, dass gerade die Feuerwehr, die im Falle von (umweltbedingten) Umweltkatastrophen die Last der entsprechenden Hilfseinsätze trägt, auch bei ihrem eigenen Bau die Verantwortung für die Vermeidung dieser Umweltkatastrophen übernehmen soll: und zwar durch umweltfreundliches Bauen mit Holz. Maßgebend war im Entwurf auch die soziale Funktion des Gebäudes: das Feuerwehrfest etwa muss in diesem Gebäude fast genauso gut funktionieren wie der Feuerwehreinsatz selbst.
Technische Besonderheiten: Holzbau, Lehmputz, zentrale Lüftungswärmerückgewinnung, Erde-Luft-Wärmetauscher (5 x 30 m mit 2 cm Durchmesser), Solar-Wall (unverglaster Luftkollektor), Brettsperrholz, Lärchenholzverschalung. HWB: 21 kWh/m².a.
Projektnummer :119
Status :Bauten
Link:
www.reinberg.net/119Planung :Architekt Georg W. Reinberg, Architekturbüro Reinberg GesmbH
Mitarbeiter :Martin Presich
Ort :Tattendorf, Niederösterreich
Typ :Neubau
Funktion :Werkstatt
Planungsbeginn :2000
Baubeginn :2001
Fertigstellung :2002
Gründstück :2063 m2
Nutzfläche :673 m2
Umbauter Raum :3667 m3
Feuerwehr und Bauhof Tattendorf
Kategoriepreis Öffentlicher Bau, Jahr 2002
Begründung Kategoriepreis:
Die Lage zwischen Straße und Bahngeleise erscheint vorerst wenig attraktiv. Dennoch vermag der Entwurf mit den klar strukturierten Baukörpern und dem großen Flugdach an der Dorfeinfahrt von Oberwaltersdorf her ein Zeichen zu setzen, das nicht marktschreierisch überbordend, sondern in seiner Bescheidenheit der kommunalen Aufgabe angemessen ist. Neben der modernen Konstruktion mit Holzwerkstoffen und Massivholzteilen kam im Innenraum Lehmputz natur und gefärbelt zur Anwendung, woraus sich eine angenehme Stimmung in den Aufenthaltsräumen ergibt. Das Energiekonzept nützt die Sonneneinstrahlung an der zur Bahn gerichteten Westfassade, die von einem schwarzen Wetterschirm aus Trapezblech geschützt wird, unter dem sich die Kollektoren befinden. Mehrfache Zweckmäßigkeit und architektonische Wirkung an dieser Schnittfläche zur Bahn finden hier einen passenden Ausdruck. Das schnörkellose Bauwerk ist beispielhaft für einen kostengünstigen, nachhaltig zu nutzenden Zweckbau einer lokalen Gebietskörperschaft.
Architekt : Arch. Georg W. Reinberg
Bauherr: Gemeinde Tattendorf
Ausführender Holzbaubetrieb: Fahrenberger-Harreither GesmbH
http://www.holzbaupreis-noe.at/die-besten-2000-2010/2002/detail/detail/feuerwehr-und-bauhof-tattendorf/